Was der Mensch mit Luft machen kann

Luftstoff

Bild: Austritt von Gasen am Vulkan Stromboli, C. Winkler/ R. Kirschner, 2017

Unsichtbar, aber existenziell: Als gasförmige Hülle der Erde – als Atmosphäre – ist Luft die Voraussetzung allen Lebens und begleitet die chemische Evolution der Erde schon seit Anbeginn. Dabei sind die Anteile der Gase unserer Luft aber keine Naturkonstanten: In der seit Jahrmilliarden andauernden Entwicklung der Erdatmosphäre veränderte sich deren molekulare Zusammensetzung ständig und mehrmals grundlegend.

Vor etwa 350 Millionen Jahren entstand das spezifische Gemisch unserer heutigen Atemluft: etwa 78,08 Vol.-% Stickstoff (N2), 0,93 Vol.-% Argon (Ar), 0,04 Vol.-% Kohlenstoffdioxid (CO2) – und mit 20,95 Vol.-% Sauerstoff (O2) erstmalig die Konzentration, die für die Entstehung von aerob atmenden Lebewesen notwendig war. Neben diesen lebenswichtigen Gasen enthält unsere Luft sogenannte Aerosole, flüssige oder feste Kleinstteilchen wie etwa Feinstaub oder Viren sowie Wasserdampf.

Die in der Luft enthaltenen Stoffe spielen eine grundlegende Rolle für den Stoffkreislauf lebender Organismen und für unser Klima. Damit steht unsere Atmosphäre in direkter Verbindung zur Biosphäre, der Gesamtheit aller Lebewesen und zur Hydrosphäre, der Gesamtheit des Wassers der Erde. Lebewesen, die aerob atmen, brauchen Sauerstoff als Oxidationsmittel, um aus ihm Energie zu gewinnen. Stickstoff ist u. a. für den Aufbau von Eiweißen in allen Organismen unentbehrlich und Kohlenstoff bildet einen wichtigen und vielseitigen Grundbaustein organischer Verbindungen, der Zellbildung und Wachstum erst ermöglicht. Durch die Verbrennung fossiler Ressourcen, durch Abholzung und andere menschliche Eingriffe in unsere Ökosysteme steigt der CO2-Gehalt in unserer Atmosphäre jedoch über das seit Jahrtausenden bestehende Maß an – der zentrale Grund für den voranschreitenden Klimawandel.

Luft als Medium

Bild: Nutrition Clouds von Clemens Winkler, S. Schwabe, 2020

Luft ist nicht nur das Transportvehikel lebensnotwendiger molekularer Grundstoffe – sie ist auch ein Medium für die sogenannten Aerosole, wenige Nanometer kleine feste und flüssige Schwebstoffe: Gerüche, Allergene, luftverschmutzende Partikel wie Feinstaub sowie Bakterien und Viren sind sozusagen die blinden Passagiere unserer Atemluft.

Forscher*innen haben beispielsweise herausgefunden, dass der Geruch von Sommerregen durch Aerosole, genauer durch aufgewirbelte Bakterien entsteht, die durch die feinen Wasserspritzer aufprallender Tropfen in die Atmosphäre geschleudert werden.

Die Aerosolforschung beschäftigt sich unter anderem mit den Auswirkungen von Aerosolen auf die menschliche Gesundheit. Aufgrund ihrer Eigenschaft, erheblich länger in der Luft zu schweben als beispielsweise Tröpfchen, spielen Aerosole in der Debatte um die Übertragung des Corona-Virus eine wichtige Rolle. Und auch in Bezug auf den Klimawandel stehen sie im Fokus der Forschung; dort wird ihre Wirkung unterschiedlich bewertet. Als klimatischer Gegenspieler der Treibhausgase kann Feinstaub etwa abkühlend auf bodennahe Luftschichten wirken, indem er bspw. solare Strahlung abschirmt. Er kann aber auch als „Klimatreiber” wirken, indem er Sonnenwärme absorbiert und ausstrahlt. Dazu kommen die gesundheitlichen Schäden, die durch aerosolbelastete Luft entstehen: Allein die aus der Verbrennung fossiler Energien stammenden Aerosole werden weltweit für den frühzeitigen Tod von jährlich 3,6 Mio. Menschen verantwortlich gemacht. Aerosole können jedoch auch nützlich sein: Die in ihnen gebundenen Mikroorganismen wie bspw. Milchsäurebakterien sind etwa für die Entstehung von Sauerteig oder für die Fermentation von Wein verantwortlich.

Luft macht Klima

Bild: Globale Luftströmung, Quelle: nullschool.net, Stand 2020

Regen in den Tropen, wenig Schneezuwachs an den Polen, Wind in unseren Breiten: Woher kommen die unterschiedlichen Witterungserscheinungen auf der Erde? Mit verantwortlich dafür ist die allgemeine, planetarische Zirkulation: Die Luftmassen der Atmosphäre strömen um den Erdball, steigen auf und sinken, treffen aufeinander und vermischen sich – und beeinflussen damit unser Wetter. Die planetarische Zirkulation ist ein Sammelbegriff für verschiedene atmosphärische Zirkulationssysteme, die auf der unterschiedlichen Energiezufuhr der Erde durch die Sonne beruhen. Da die Sonne über dem Äquator das ganze Jahr über nahezu senkrecht steht, wird dieser stärker erwärmt als die Polregionen.

Durch das dadurch entstehende Temperaturgefälle steigt die warme Luft am Äquator auf und die kalte Luft an den Polen sinkt ab. Die Folge sind Druckunterschiede, die durch die Bewegung von Luftmassen ausgeglichen werden: Bodennahe Luft von den Polen strömt in Richtung Äquator, Höhenluft vom Äquator strömt in Richtung der Pole.

Durch die Erdrotation entstehen weitere Bewegungsströme der Luft (Corioliskraft) wie etwa die Passatzirkulation, die außertropischen Westwinde, die polaren Ostwinde, das Polarloch und die Jetstreams. Die planetarische Zirkulation ist ein sehr temperaturabhängiges System, das durch die Erderwärmung verändert wird und zu neuen klimatischen Bedingungen an verschiedenen Orten der Erde führt. Verändert sich die Temperatur, verändern sich unweigerlich auch Wind und Regen und es kann zu extremen lokalen Phänomenen wie Dürre und Starkregen kommen, die nur schwer vorhersehbar sind. Diesen extremen Wetterphänomenen versucht man bereits heute mit kleinräumigen Eingriffen in meteorologische Vorgänge Herr zu werden.

Gase als Klimatreiber

Bild: M. Jozwiak, 2020

Zwar ist der Klimawandel nicht gänzlich darauf zurückzuführen, er hängt aber ganz zentral von einem Gas in unserer Atmosphäre ab: Kohlendioxid (CO2). Obwohl es mit derzeit etwa 0,04 % nur einen geringen Teil der Luftzusammensetzung unserer Atmosphäre ausmacht, spielt es in seiner Funktion als Treibhausgas eine entscheidende Rolle bei der Erderwärmung, da es einen Teil der von der Erde ins Weltall abgegebenen Wärme absorbiert und zurück auf die Erde strahlt. CO2 ist von Natur aus in der Atmosphäre enthalten: Tiere und Menschen atmen es aus, es wird freigesetzt, wenn Biomasse verrottet oder Vulkaneausbrechen. Im Verlauf der Erdgeschichte schwankte der atmosphärische CO2-Gehalt erheblich undwar häufig an einer Reihe gravierender Klimawandel- Ereignisse direkt beteiligt.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts steigt die CO2-Konzentration durch menschliche Aktivitäten drastisch an. Während vor dem Beginn der industriellen Revolution der weltweite Kohlendioxidgehalt bei rund 280 ppm (parts per million) lag, überschreitet er seit einigen Jahren dauerhaft einen Wert oberhalb von 400 ppm, d. h. 0,04 % – ein von Forscher*innen symbolisch als „Schallmauer” betitelter Grenzwert, höher als jemals zuvor in den letzten Millionen Jahren. Als Hauptgründe nennen Forscher*innen die Verbrennung fossiler Energieträger sowie Entwaldung und Abholzung, da beispielsweise Tropenwälder etwa die Hälfte des in der gesamten globalen Vegetation gespeicherten Kohlenstoffs speichern.

Luxusgut Frischluft

Bild: Exponate zur Wissensvermittlung, E. Walkenhorst, 2020

Die Idee, dass spezielle klimatische Bedingungen heilend wirken können, war schon in der Antike bekannt. Im 19. Jahrhundert begannen Ärzt*innen, die positive Wirkung „frischer Luft” auf die Gesundheit für die Behandlung lungenkranker Menschen zu nutzen; die bis heute bekannten „Luftkurorte” entstanden. Feuchte und mineralhaltige Meeresluft, geringerer Sauerstoffdruck in Höhenlagen, weniger Schadstoffe oder Pollen haben Einfluss auf die Lungentätigkeit.

Doch auch jenseits des Medizinischen wächst – vor dem Hintergrund zunehmender Luftverschmutzung – die kulturelle Bedeutung reiner, wohlriechender Luft: Phänomene wie Waldbaden versprechen Entlastung für den von toxischen Lufteinflüssen belasteten Körper und Geist. In Japan wird das Waldbaden, shinrin yoku, als Naturtherapie vermehrt erforscht und gefördert. Studien zeigen dessen positive Effekte: Die Phytonzide, flüchtige organische Verbindungen, die Pflanzen ausströmen, lösen beim Einatmen ein Gefühl der Ruhe aus, senken Blutdruck und Cortisollevel und sollen sogar die Aktivität krebsbekämpfender „Killer-Zellen” steigern.

Auch die Industrie weiß die Kraft der Luft bereits für ihre Zwecke zu nutzen. Mit den Mitteln des Geruchsmarketings sollen Kund*innen positiv stimuliert und zum Kauf angeregt werden. Die Branche an Anbietern maßgeschneiderter Duftkonzepte für Läden, Marken und Produkte wächst; immer mehr Unternehmen setzen gezielt olfaktorische Reize ein. Das funktioniert, weil Geruchsreize unbewusst und stark wirken und wir uns nur schwerlich mit rationalen Argumenten dagegen zur Wehr setzen können.

Luft als Forschungsfeld

Bild: «It's all just air» Symposium an der Zürcher Hochschule der Künste, C. Winkler, M. Kemper, Prof. Dr. K. Franinoviç, 2017

Längst hat die wichtige Rolle, die Luft für Wetter, Klima, das Leben auf der Erde und unsere Gesundheit spielt, seitens der Forschung und Technologieentwicklung zu neuen Konzepten und Vorstößen geführt. Das seit den 1970er Jahren in der Diskussion stehende Geo Engineering oder Climate Engineering etwa beschreibt technisch gestützte, vorsätzliche und großräumige Eingriffe in geo- oder biochemische Kreisläufe der Erde, um die menschengemachte globale Erderwärmung abzubremsen.

Neben der Beeinflussung der Sonneneinstrahlung, etwa durch die Ausbringung von Aerosolen, wird auch die Reduktion der CO2-Konzentration in der Atmosphäre als Methode des Geo Engineering diskutiert. Emissionsminderungsverfahren wie etwa die CO2-Abscheidung und - Speicherung zielen darauf ab, CO2-Emissionen an zentralen Punktquellen von CO2 wie etwa Kraftwerken durch technische Abspaltung und unterirdische Einlagerung zu reduzieren. Auch in der Diskussion stehen Verfahren, mit deren Hilfe CO2 in andere Stoffe wie etwa Chemikalien und Kraftstoffe umgewandelt werden soll. Forscher*innen untersuchen etwa, wie aus Hüttengasen der Stahlproduktion Vorprodukte für Kraftstoffe, Kunststoffe oder Düngemittel entstehen können. Um die Emission von anderen klimaschädlichen Gasen wie etwa Lachgas oder Methan zu reduzieren, werden in der Landwirtschaft mittlerweile zunehmend stickstoffbindende Stoffe wie Pflanzenkohle als Futtermittel- oder Bodenzusatz genutzt.