Was der Mensch mit Pflanzen machen kann

Pflanzen

Bild: Maiswurzelansatz, C. Miera, 2019

Pflanzen (lateinisch Plantae) bilden ein eigenes Reich innerhalb der Domäne der Lebewesen mit Zellkern und Zellmembran, der Eukaryoten. Das wesentliche Charakteristikum, durch das sich Pflanzen von Tieren und von Pilzen unterscheiden, ist ihr Besitz von Chloroplasten und damit ihre photoautotrophe Lebensweise: Pflanzen können die zum Leben benötigte Energie durch Photosynthese gewinnen und organisches Material durch die Assimilation von Kohlenstoff bilden – damit sind sie die Produzenten unserer Ökosysteme.

Nach heutigen Schätzungen existieren auf der Erde zwischen rund 320.000 und 500.000 Pflanzenarten, davon werden jedoch nur rund 200 landwirtschaftlich genutzt. Tatsächlich basiert die Ernährung der halben Menschheit derzeit auf nicht mehr als drei Pflanzenarten: Reis, Weizen und Mais. Steigende Temperaturen, Wassermangel, versalzene und erodierende Böden und die im Zuge des Klimawandels verstärkt auftretenden Unwetter verschlechtern jedoch deren Anbaubedingungen, weshalb die Forschung bemüht ist, den Nutzpflanzenanbau beispielsweise durch klimaresistentere Pflanzenarten zu diversifizieren. Doch nicht nur durch unsere Ernährung sind wir auf Pflanzen angewiesen: Wir atmen den von Pflanzen produzierten Sauerstoff, wir nutzen Pflanzen als Werkstoff für Kleidung und Baumaterial, als Ressource für die Energiegewinnung, als Genuss- und Heilmittel – und als Zierde. Unser Bild von Pflanzen als passive Lieferanten von Nahrung und Rohstoffen gerät jedoch zunehmend ins Wanken: Neuere Untersuchungen etwa legen nahe, dass Pflanzen Leitbahnen für elektrophysiologische Signale aufweisen, die den Nervensystemen von Tieren und Menschen ähneln könnten. Pflanzen prägen außerdem das Klima und die Wasserkreisläufe auf der Erde und speichern große Mengen CO2, weshalb ihre Abholzung eine entscheidende Rolle beim Klimawandel spielt.

Von Menschenhand geformt

Bild: Calli von gentechnisch veränderter Gerste, Institut für Phytopathologie/ Universität Giessen, S. Schwabe, 2019

Pflanzen verändern sich mit der Zeit. In der Natur unterliegen sie einer ständigen Selektion, die die treibende evolutive Kraft zur Veränderung von Form, Aussehen, Wachstum und vieles Mehr ist. Auch der Mensch verändert Pflanzen und zielt dabei vor allem auf die Optimierung ihrer Eigenschaften für unsere Nutzung ab, wie zum Beispiel höhere Ernteerträge. Resultat dieser Veränderungen sind neue Sorten, also Varianten von Zier- oder Nutzpflanzenarten, die sich durch verschiedene Merkmale von anderen Sorten der gleichen Art unterscheiden.

Beispiele sind die Entwicklung von kurzstieligem und damit windresistenten Weizen, blauen Rosen, gut transportierbaren Tomaten oder nicht braun werdenden Äpfeln (Arctic Apple). Mit dem Sortenschutzgesetz gibt es in der Pflanzenzüchtung ein Instrument zum Schutz des geistigen Eigentums, das dem Zuchtunternehmen – ähnlich wie beim Patentrecht – ein zeitlich beschränktes exklusives Nutzungsrecht auf die angemeldeten Sorten zusichert – und damit die Möglichkeit, den Anbau und die Vermehrung des Saatguts zu kontrollieren.

Mit Beginn der Landwirtschaft vor 12.000 Jahren wurden durch Auslesezüchtung bestimmte wertgebende Merkmale (z. B. verbesserter Ertrag) und damit auch die hierfür verantwortlichen genetischen Eigenschaften bewusst ausgewählt und weiter vermehrt. Bei der Kreuzungszüchtung werden die Eigenschaften zweier nahe verwandter, aber genetisch verschiedener, Sorten miteinander kombiniert. Durch Hybridzüchtung von zwei reinerbigen Elternlinien können kurzfristig besonders leistungsfähige Pflanzen entstehen. Das Saatgut muss dafür jedes Jahr neu bezogen werden. Bewusst herbeigeführte Mutation, z. B. durch radioaktive Bestrahlung oder chemische Methoden, ist seit Mitte des 20.Jahrhunderts ein weit verbreitetes Werkzeug zur Erzeugung neuer Merkmale in Pflanzen. Seit 2018 werden so erzeugte Pflanzen in der EU zwar als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) eingestuft, die jedoch weiter uneingeschränkt verkauft und angebaut werden dürfen. Diese Ausnahme gilt jedoch nicht für durch gentechnische Zuchtmethoden entstandene Sorten. Insbesondere neue Verfahren der Genomeditierung durch bspw. CRISPR-Cas9 versprechen eine sehr gezielte und effiziente Veränderung des Erbguts von Pflanzen. Ein Anbau in Deutschland ist derzeit nicht erlaubt.

Sorten schwinden

Bild: Feldabschnitt "Brache", Musterfeld Workshop Flurform, S. Schwabe, 2019

Die wachsende Weltbevölkerung und sich wandelnden Umweltbedingungen verlangen nach einer immer leistungsfähigeren Landwirtschaft – aber nur wenige Nutzpflanzen sollen den Hunger stillen. Von den rund 400.000 auf der Welt bekannten Pflanzenarten werden nur etwa 200 für unsere Ernährung und Gesundheit und als industrieller Rohstoff genutzt und für diese Zwecke immer weiter perfektioniert. Doch diese „hochgezüchteten” Sorten sind nicht selten besonders anfällig für Schädlinge und Krankheiten – die Welternährung steht damit zunehmend auf tönernen Füßen.

Aus dieser landwirtschaftlichen Konzentration auf wenige Pflanzen ergibt sich, zusätzlich zur allgemeinen Intensivierung der Agrarproduktion mit ihren Folgen für Klima und Ökosysteme, eine Gefahr für Sortenvielfalt und Biodiversität: 2010 stufte ein internationales Forscherteam rund ein Fünftel aller weltweiten Pflanzenarten als vom Aussterben bedroht ein. Im Rahmen eines 2019 lancierten UN-Umweltprogramm veröffentlichte Studien zeigen, dass in den letzten hundert Jahren mehr als 90 % der weltweiten Pflanzenarten von den Feldern der Landwirte verschwunden sind.

Mit der Agrobiodiversität schwinden nicht nur alte Nutzpflanzensorten und wilde Pflanzenarten, sondern auch das Wissen über traditionelle Medizin und lokale Lebensmittel. Der Verlust der Vielfalt hat seinen Preis: Unsere auf wenige Nahrungsmittel konzentrierte Ernährungsweise begünstigt Krankheiten und gesundheitlichen Risikofaktoren wie Diabetes, Fettleibigkeit und Mangelernährung. Genbanken und die On-Farm-Erhaltung alter Sorten und Arten sollen helfen, die Vielfalt der Pflanzen, der primären Nahrungsquelle von Mensch und Tier, zu erhalten.

Die Menschheit ernähren

Bild: The Amazon in Brazil, Jacques Descloitres, MODIS Land Rapid Response Team, NASA/GSFC, 2005

Pflanzen sind die primäre Nahrungsquelle von Menschen und Tieren – ihren Anbau von den Unwägbarkeiten des Wetters, von Schädlingen und anderen negativen Einflüssen weitestgehend unabhängig zu machen, war daher schon immer ein wichtiges Ziel der Menschheit. Vor rund 10.000 Jahren entstand mit dem traditionellen Ackerbau eine kontrollierte Form der Kultivierung von Nutzpflanzen für die menschliche Ernährung. Um deren Erträge zu sichern und zu erhöhen, kommen seit rund 200 Jahren die Verfahren und Techniken intensiver Landwirtschaft und industrieller Nahrungsmittelproduktion zum Einsatz – mit Folgen für Ökosysteme, Klima und Gesellschaft. Denn unser Ernährungssystem ist ein gefährlicher Treiber für den Klimawandel, für die Übernutzung von Wasserressourcen und für die Umweltverschmutzung.

Für die Erzeugung, den Transport, die Verarbeitung, Lagerung und Zubereitung von Nahrungsmitteln werden, so eine 2018 veröffentlichte, internationale Studie, 40% der weltweiten Landfläche benötigt, 70% des weltweit genutzten Süßwassers verbraucht und 30% der weltweiten Treibhausgase produziert. Diese derart ressourcen- und energieintensiv hergestellten Lebensmittel schaffen es zu einem großen Teil nicht einmal auf unsere Teller: Ein Drittel der gesamten Nahrungsmittelproduktion landet auf dem Müll, allein in Deutschland werden jedes Jahr elf Millionen Tonnen Nahrung weggeworfen.

Um die Nahrungsmittelproduktion innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen und eines sicheren Handlungsraumes für die Menschheit zu halten, müssten wir, so die Forscher*innen, systematisch Lebensmittelverschwendung verhindern, landwirtschaftliche Technologien und Bodenmanagement verbessern – und auf eine vornehmlich pflanzliche Ernährung umsteigen: Allein hierzulande ist die Tierhaltung inklusive der für sie angebauten Futtermittel mit zu 71% nämlich der größte Verursacher von Treibhausgasen in der Landwirtschaft.

Alte und neue Hoffnungsträger

Bild: Schaugarten des Vern e.V., S. Schwabe, 2018

Dem Sorten- und Artenschwund und der steigenden Nachfrage unter veränderten Klimabedingungen begegnen: Forschung und Landwirtschaft suchen darauf gegenwärtig nach Antworten. Genbanken und die On Farm-Erhaltung alter Sorten und Arten sollen helfen, die bestehende Vielfalt der Pflanzen, der primären Nahrungsquelle von Mensch und Tier, zu erhalten.

Die grüne Gentechnik verspricht durch die gezielte Modifikation des Erbguts von Nutzpflanzen schnell und effizient widerstandsfähige neue Sorten zu erzeugen. Auf derzeit 13 % der weltweit ackerbaulich genutzten Fläche werden solche Sorten inzwischen eingesetzt. Kritiker der Technologie befürchten unabwägbare Konsequenzen. In Deutschland findet der kommerzielle Anbau nicht mehr statt.